Demokratischer Widerstand
Im „System“ sind die Fronten klar: Eine auf Eigennutz bedachte Elite hat die Macht an sich gerissen – entrechtete Menschen stehen dem wehr- und schutzlos gegenüber. So vereinfacht der Demokratischer Widerstand, Organ der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ rund um die in verschwörungsgläubigen Kreisen populären Coronaverharmloser Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp, komplexe gesellschaftliche Strukturen. Die Autoren schaffen ein Bedrohungsszenario, das die Leser zum Protest mobilisieren soll. Der Aufmacher der ersten Juni-Ausgabe etwa spricht im Kontext der Coronakrise von einem „Krieg gegen die Bevölkerung“. Die Bürger würden zu Befehlsempfängern degradiert, eine Tendenz, die sich auch in einer als verordnet dargestellten Solidarität mit der Ukraine fortsetze. „Die Menschen haben gelernt, wer jetzt nicht kuscht, wird verleumdet, geschlagen, verhaftet und verliert seine Rechte“, heißt es im Aufmacher. Es wird unterstellt, dass die Politik systematisch die Interessen der Bürger missachte und sie belüge: „Mit ‚Frieden‘ meinen sie Krieg und Aufrüstung. Beim Wort ‚Demokratie‘ denken sie an sich selbst und ihre Posten. Mit ‚Freiheit‘ ist gemeint, dass Regierung und Konzerne machen können, was sie wollen.“ Die über allem schwebende Warnung: Mit ihrem verantwortungslosen Handeln rissen eben diese Regierung und Konzerne die Menschen in den Untergang.
Die Systemkritiker des Demokratischen Widerstands erwecken den Eindruck, dass die Demokratie nur eine Fassade sei und sie selbst die „wahren“ Demokraten. In Wahrheit nämlich sei die Gewaltenteilung längst aufgehoben, postuliert etwa Autorin Anke Behrend. „Seit zwei Jahren haben sich alle drei Gewalten zu einem Machtmonopol verschmolzen und den Rechtsstaat ad absurdum geführt“, heißt es im Untertitel ihres Beitrags. Ähnlich sieht es der Leiter des Wirtschaftsressorts Hermann Ploppa: Die Ampel-Regierung sei „katastrophal“, aber auch Oppositionsführer Friedrich Merz nur ein „Insolvenzverwalter der Demokratie“. Merz, so wird der Anschein erweckt, vertrete vor allem die Interessen US-amerikanischer Oligarchen in Deutschland. In einem weiteren Beitrag beschreibt Ploppa, wie „die Superreichen wie Elon Musk und Jeff Bezos“ die Macht an sich reißen, indem sie „Politiker, Medien, Wissenschaftler“ kauften. Ploppa greift ein für radikale Systemkritiker der „alternativen“ Medien typische Verschwörungstheorie vom „Great Reset“ auf. Der „Great Reset“ sei „das schwarze Loch, in dem alles verschwindet (…). Entmachtung und Entkernung der Staaten. Massenverelendung. Ein gigantisches Kartell vernichtet alles“ – so wird es schon im Titel zu Ploppas Beitrag zusammengefasst. Um den vermeintlichen Untergang zu stoppen, rufen die Herausgeber Sodenkamp und Lenz ihre Anhänger zu Großdemonstrationen auf. ssp