Monitoring Juni:
das System
Um „das System“ geht es in sogenannten „alternativen“ Medien immer. Aber was ist damit gemeint? Der Begriff wird selten definiert und drückt meist eine allgemeine Opposition gegen ein komplexes gesellschaftliches und politisches Gefüge aus. So wird suggeriert, dass es keine oder kaum Einflussmöglichkeiten etwa auf politische Entscheidungen gebe. Nichts geschehe zufällig, alles hänge mit allem zusammen.
Die Politik, die Polizei, Behörden, aber auch Wirtschaft, Wissenschaft und Medien werden als ein System verstanden, das partiell oder gänzlich gegen die Bevölkerung und ihrer Interessen arbeite – Behauptungen von einer „Corona-Diktatur“, angeblich beeinflussten Wahlen, gesteuerten Medien, einer Polizei, die sich gegen „das Volk“ wende oder Politik, die gegen die Interessen der meisten Menschen arbeite, greifen dies auf. Die Rede vom „System“ ist abwertend, stark simplifizierend und setzt einen grundsätzlichen Dualismus voraus – den von Böse und Gut, Macht und Ohnmacht, abgehoben und volksnah, aber auch konkret von jenen, die sich vom „System“ einspannen ließen und jenen, die „das System“ durchschaut zu haben glauben.
Das Herunterbrechen von Funktionsweisen und Entscheidungsprozessen ist eine Vereinfachung komplexer gesellschaftlicher Mechanismen und Aushandlungsprozessen. Sie ermöglicht eine einseitige Schuldzuweisung an ein entpersonalisiertes staatliches Gefüge oder auch eine Gruppe, die man als einflussreich ausgemacht hat. Diese Frontstellung gegen „alles“ ist sehr bequem, da die eigene Position stets als die richtige und als Alternative erscheint. So wird Gemeinschaft erzeugt und auch Handlungsoptionen im Sinne eines Zusammenschlusses oder Aufstandes gegeben.
Das Herunterbrechen einer komplexen Realität auf eine simple Frontstellung des „Systems“ gegen das „Volk“ und ist auch deshalb problematisch, weil sie ganz konkrete Feindbilder erschafft. Die Vorstellung, eine globale Interessensgruppe oder mächtige Elite halte ein System am Laufen, das sich eigentlich gegen die Bevölkerung richte, knüpft an verschiedene, teils antisemitische Verschwörungserzählungen an.
In unserer Juni-Ausgabe widmen wir uns der Behauptung, dass nicht zufällig geschehe und ein komplexes System im Interesse einiger Weniger gegen die Mehrheit der Bevölkerung arbeite.