reitschuster.de
Gender-Fragen sind eines der Kernthemen des Bloggers Boris Reitschuster. Sowohl in eigenen Kommentaren als auch in auf seinem Blog veröffentlichten Gastbeiträgen schlägt sich der frühere Focus-Korrespondent in Moskau klar auf die Position der Gegner:innen des Genderns. Erst vor wenigen Tagen durfte dort der Kleinverleger Kai Rebmann, ein ehemaliger Politiker u.a. für die Partei Bibeltreuer Christen, wo überall ein vermeintlicher „Krieg der Gendersternchen“ geführt werde – beispielsweise in öffentlichen Verwaltungen, an Universitäten und im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. In München solle die „höchst umstrittene (…) Gendersprache“ verwendet oder gar Teil der Ausbildung werden, schrieb Rebmann, und an anderer Stelle, „Gender-Ideologen“ würden an verschiedenen Universitäten nach dem „‘Prinzip Einschüchterung‘“ verfahren. Und: „Wie so oft ist es auch bei der Diskussion um das Gendersternchen eine Minderheit, die der Mehrheit ihren ideologischen Willen aufzuzwingen versucht.“
Der Text reiht sich in Reitschusters Blog ein in generelle Kritik an Initiativen für mehr Diversität und Gleichberechtigung – ob es nun um die zum Christopher-Street-Day im Juli über dem Reichstagsgebäude gehisste Regenbogenflagge geht, die Geschlechtsangleichung von Minderjährigen oder geschlechtergerechte Sanitäranlagen an Universitäten. Dass der Deutsche Fußballbund nicht-binären und Trans-Fußballer: innen erlaubt habe zu wählen, ob sie im Frauen- oder Männersport spielten – oder, wie es auf reitschuster.de heißt „ihr Geschlecht frei wählen“ zu dürfen – mache ihn zum „Wokeness-Weltmeister“, wie Reitschuster auf Twitter zusammenfasst. Rebmann, der sich bei diesem Thema besonders engagiert, empört sich in einem weiteren Gastbeitrag mit dem Titel „Der Fußball im Schwitzkasten der Ideologen“, dass der Fußballverein FC St. Pauli den Genderstern neuerdings auf dem Trikot trägt.
Bemerkenswert ist, wie Reitschuster sich beim Thema „Gender“ regelmäßig gegen die Springer-Presse positioniert. Hier geht es zum Beispiel um die Entscheidung von Ralf Schuler, seinen Posten als Leiter der Bild-Parlamentsredaktion abzugeben – nach eigener Aussage auch gegen einen „zu unkritischen Umgang“ des Konzerns mit der LGBTQ-Bewegung „und eine Richtungsentscheidung der Führungsetage, sich auf die Seite der Queer-Aktivisten zu schlagen“. Reitschuster feiert Schuler als „eine[n] der wenigen standhaften Felsen in der fast alles überschwemmenden Brandung des rotgrünen Haltungsjournalismus“, bietet ihm „journalistisches Asyl“ auf seinem Blog an. Tage später wirft er der Bild-Zeitung plumpes Framing vor. Die Zeitung hatte ein queer-feindliches Transparent von Rostock-Fans gegen „Genderscheiß“ bei einem Heimspiel von Hansa Rostock gegen den FC St. Pauli zum Thema gemacht. Was bitte an diesem Plakat ‚schwulenfeindlich‘ sein solle, fragte Reitschuster auf Twitter. „Viele Homosexuelle haben die Nase genauso gestrichen voll von der #Genderagenda wie Heteros. Man kann diese Kritik teilen oder nicht. Aber verbieten? Wieso manipuliert die #Bild ihre Leser mit so einem plumpen Framing?“
In einem Text über den angeblichen „Great Reset“ schreibt Reitschuster, „große Teile der Wirtschaft bzw. der wirtschaftlichen Elite (…) wollen im Schulterschluss mit linken Aktivisten die Welt umbauen“. Um diese These zu stützen, schlägt er den großen thematischen Bogen, in dem das Thema „Gender“ eine besondere Rolle spielt: „Was nicht in die eigene Ideologie und das Weltbild passt, was den Plänen für eine ‚strahlende Zukunft‘ im Wege steht, das darf nicht sein. Gewalt-Probleme mit Zuwanderern aus fremden Kulturkreisen und Krisengebieten werden deshalb als Phantasien von ‚Nazis‘ verdrängt. Ebenso wie die Tatsache, dass es eben genau zwei biologische Geschlechter gibt. Oder das offensichtliche Scheitern der Energiewende.“ Reitschuster sieht u.a. in der Geschlechterfrage einen „Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur (…) insbesondere die Traditionen, und hier vor allem wiederum die Familie“. Eng verbunden mit der These vom „Great Reset“ ist die Verschwörungstheorie vom „Transhumanismus“, einer angeblich von Eliten vorangetriebenen Entmenschlichung. Diese Theorie lässt Reitschuster anklingen, wenn er schreibt: „Es geht – wieder einmal – um die Schaffung eines neuen Menschen. Dazu müssen die kulturellen, religiösen, ja und vor allem auch die geschlechtlichen Wurzeln des Einzelnen aufgebrochen werden – um ihn zu einer Biomasse zu machen, aus der sich der neue Mensch formen lassen kann.“
Kai Rebmann sorgt sich beim Thema „Gender“ nicht nur um Sprachgebrauch, wie sein Artikel auf reitschuster.de mit dem Titel „Medien feiern 10-jähriges Transgender-Model – Die Perversion der westlichen Welt“ zeigt. Die Bemühungen für Gleichberechtigung individueller Geschlechteridentitäten wertet er hier als „Indoktrinierung und Unterwerfung der Gesellschaft in der westlichen Welt“. Mit solchen Äußerungen bedient er das Bild von einer kleinen Elite (hier der „Regenbogen-Community“), die die Mehrheit umerziehen wolle. Trotz herrschender Versammlungs- und Meinungsfreiheit bemängelt Rebmann: „Gefühlt jede Woche findet in irgendeiner anderen Stadt ein Christopher-Street-Day (CSD) statt, so dass das Thema in Medien und Gesellschaft fast zwangsläufig omnipräsent vertreten ist.“ Den selbstverständlichen Umgang mit Vielfalt markiert er als unnormal und problematisch: „Sogenannte ‚Drag-Queens‘, die Vierjährigen Geschichten aus Kinderbüchern vorlesen, gehören längst zur Tagesordnung. Und selbst im Kinderfernsehen wird den Jüngsten unserer Gesellschaft vorgegaukelt, dass eine Geschlechtsumwandlung das Normalste der Welt sei.“ Auch wenn Rebmann in dem Text den Begriff „Perversion“ auf das konkrete Verhalten von Eltern, Medien und Gesellschaft im vorliegenden Fall anwendet, erscheint dessen Verwendung im Zusammenhang mit seiner allgemeinen Gesellschaftskritik wohl kalkuliert.
m.m./CB