Auf1
Der österreichische Onlinekanal Auf1.tv versteht sich als “der erste wirklich zu 100% unabhängige und alternative TV-Sender im deutschsprachigen Raum”. Seit 2021 verbreitet er über seine Webseite, Youtube und Telegram täglich Beiträge im Nachrichtenstil. Inhaltlich bedienen sich die Beiträge regelmäßig Verschwörungserzählungen, sowie völkischer und extrem rechter Narrative. Ein Format, das scheinbar Erfolg hat: Auf Telegram verbucht der gut ein Jahr alte Sender über 220.000 Abonnenten – Tendenz steigend. In Österreich werden Auf1-Beiträge auch über den Lokalsender RTV im Fernsehen ausgestrahlt. In den letzten Monaten expandierte der Sender unter Chefredakteur Stefan Magnet, der für seine Verbindungen in die rechtsextreme Szene bekannt ist, nach Deutschland. Seit Juli gibt es eine Berliner Redaktion mit Martin Müller-Mertens, ehemaliger TV-Chef des rechtsextremen Compact-Magazins, als Hauptstadt-Korrespondenten. Aber auch auf der Straße wird Auf1 sichtbarer. Im August startete der Sender eine Werbekampagne mit LKW-Bannern mit der Aufschrift „Hier rollt die Medien-Revolution“, die laut eigener Angabe für zwölf Monate durch Österreich und Deutschland fahren sollen. Und auch bei den Protesten in Deutschland sind immer wieder Luftballons und Plakate des Senders zu sehen.
Ist im vergangenen Jahr die Coronapandemie Hauptthema gewesen, zeichnen aktuell immer mehr Beiträge Katastrophenszenarien, die zur Blaupause für den Protest gegen ein angeblich dysfunktionales politisches System in Deutschland und Österreich werden. Der Beitrag “Katastrophenschutz: Ist Deutschland überhaupt auf irgendeinen Ernstfall vorbereitet?” zum Beispiel beschreibt ein hypothetisches Kriegsszenario in Bild und Ton, dem die deutsche Regierung nicht gewachsen sei und folgert: “Im Kriegsfall wäre Deutschland genauso schlecht dran wie ein Entwicklungsland“. Es gebe zu wenige Bunker und mangelnde medizinische Notfallstruktur, desolate kritische Infrastruktur, Mangel an Nahrungsnotreserven und Notbrunnen. „Und dafür trägt der Deutsche mit die höchste Steuerlast der Welt. Das ist nicht nur eine Schande, sondern beschwört geradezu sprichwörtlich Katastrophen herauf.” Auch Interviews mit vermeintlichen Experten wie “Obmann der Obdachlosen Hilfsaktion: ‚Die Armut steigt rasant an!‘“ und “Gerald Grosz: ‚Regierung führt Wirtschaftskrieg gegen eigene Bevölkerung‘“ (via Exremnews) warnen vor Szenarien wie Massenarbeitslosigkeit und massenhafter Verarmung. Im Interview “Eike Hamer: ‚Massenarbeitslosigkeit kommt – im nächsten oder übernächsten Jahr!‘“ setzen Eike Hamer und Moderator Bernhard Riegler eine möglicherweise bevorstehende Inflation in den Kontext des „Great Reset“ – ein unter Verschwörungsgläubigen verbreitetes Szenario, das eine politisch orchestrierte gesellschaftliche Umgestaltung beschreibt. Hamer verbindet diese Verschwörung mit dem Willen zum Widerstand, er sagt: “Diese Leute (der Mittelstand, d. A.) werden sich – meines Erachtens – radikalisieren. Warum? Weil diese Krise eben nicht von Gott gegeben kommt, sondern bewusst, aktiv und wissentlich von der Politik aus Berlin und Brüssel herbeigeführt ist”.
All diese Beiträge bedienen Ängste um aktuelle Debatten zu steigenden Energie- und Lebenshaltungspreisen im Zusammenhang mit den Wirtschaftssanktionen gegen Russland und lenken sie gegen bereits eingeführte Feindbilder – ein Thema, das diesen Herbst und Winter die Coronapandemie zur Mobilisierung ersetzen und die Bildung einer neuen Querfront, wie sie insbesondere von rechter Seite beworben wird, befeuern kann. Der Auf1-Beitrag “‘Rechtsextrem – na und?‘: Deutungshoheit wird zunehmend in Frage gestellt” lässt Demonstranten von rechter und linker Seite zu Wort kommen, wirbt aber zwischen den Zeilen für eine Verbindung beider. Im Text zum Video heißt es: “Um Proteste zu diffamieren, nutzt das Polit- und Medienkartell Totschlagbegriffe wie rechtsradikal, um Unbedarfte von einer Teilnahme abzuhalten. Doch spätestens mit dem Widerstand gegen das Corona-Régime verloren derartige Beschimpfungen, ihre einschüchternde Wirkung, nicht zuletzt deshalb weil rechts zu sein, ja schließlich nichts unanständiges ist.“ KW