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„Die Umwandlung einer freiheitlichen Demokratie in eine Gesinnungsgesellschaft“ – dies drohe derzeit laut Boris Reitschuster in Deutschland. In einem Interview mit der Zeitung Junge Freiheit, einem Sprachrohr der Neuen Rechten, erläuterte er: „Meine Angst ist, dass wir die realen Gefahren völlig unterschätzen. Weil wir ganz im Bann einer Vergangenheit mit Konzentrationslagern stehen und immer auf das katastrophale Maximum starren und deshalb vergessen, daß Autoritarismus nicht erst dort anfängt.“ Dass die Freiheit nicht „schlagartig“ sondern „meist stückchenweise stirbt“, würden wir deshalb nicht sehen, so der Corona-Blogger.
Boris Reitschuster war Moskau-Korrespondent des Focus und machte sich in den vergangenen Jahren als Stichwortgeber für Querdenker, Impfskeptikerinnen und Verschwörungsgläubige einen Namen. Mit irreführenden Framings etwa erweckt er den Eindruck, dass Impfungen gefährlicher seien als eine Covid-Infektion.
Sein Steckenpferd ist noch immer die Kritik an Coronamaßnahmen und das Anzweifeln der Wirksamkeit von Impfungen, die der Blogger häufig in den Kontext einer angeblich gescheiterten Regierung stellt. Die derzeitigen Demonstrationen, die insbesondere im Osten Deutschlands von einer Vielzahl rechtsextremer AkteurInnen begleitet werden und Themen auch vorheriger Bewegungen aufnehmen, beschreibt er entsprechend positiv. „Der Protest richtete sich gegen hohe Preise, die Corona-Politik, den Ukraine-Krieg und die Energiepolitik“, so Reitschuster. Unter dem Titel „90.000 Menschen gingen gegen die Regierung auf die Straße ...und unsere Medien verschweigen es eisern“ unterstellt er etablierten Medien, diese Zahlen – gesammelt wiederum von der Jungen Freiheit, wie Reitschuster lobt – zu unterschlagen. Eine Erklärung liefert er auch: Dem sei so, weil die Proteste sich „nicht gegen die Kritiker der Regierung, sondern gegen die Regierung selbst“ richteten – „Also so, wie das mal üblich war, bevor Angela Merkel unser Land in einen demokratischen Tiefschlaf versetzte und eine schleichende DDR-isierung einsetzte.“
Direkte Aufrufe zu Demonstratioen gibt es nicht. Dennoch geht das Blog häufig auf die Demonstrationen ein, betont deren Wichtigkeit und Größe. Und auch im verlinkten Shop kann man sich mit Hoodies, Fahnen und Demo-Merch mit der Aufschrift „Herbst 2022 – Ich glaub es geht schon wieder los…“, „Spaziergänger“ oder „Game Over“ eindecken.
Verächtlichmachungen des Gesellschaftssystems von „DDR-isierung“ über „Gesinnungsgesellschaft“ bis „regierungstreue Medien“ sowie Halbwahrheiten, die im Kontext der Proteste Stimmung gegen Medien, Politik und Entscheidungsträgerinnen machen, schließen direkt an jene Narrative an, die Reitschuster während der Pandemie groß machten. Ob „Wie weit will Karl Lauterbach noch gehen?“, „Steht schon bald die Impf-Polizei vor der Tür?“ oder „Die nächste Verschwörungstheorie bewahrheitet sich. Nach ‚Grundimmunisierung‘, ‚vollständiger Impfung‘ und ‚Booster‘ kommt jetzt das Impf-Abo!“ – auf Telegram sind die Coronabeiträge weiterhin die beliebtesten.
Ein anderes, einst sehr präsentes Thema, sucht man indes vergeblich. Der russische Angriffskrieg, den der ehemalige Moskau-Korrespondent beinah als Solitär der „Alternativmedien“ und zum Unmut vieler Follower, konsequent verurteilte, kommt nur noch am Rande vor. svo