Deutsch-russischer Medienkrieg? Weshalb das TV-Programm von RT DE nicht auf Sendung gehen darf

Offensichtlich wollte RT DE mithilfe einer serbische Lizenz das in Deutschland geltende Gebot der Staatsferne umgehen. Aussicht auf eine Lizenz in Deutschland hat RT DE kaum. Denn anders als beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Deutschen Welle ist bei RT DE nichts von unabhängigen Aufsichtsgremien bekannt. RT-Chefin Simonjan sieht das Medienunternehmen vielmehr als „Informationswaffe“ im Dienste des russischen Staats.
Als Medienkrieg zwischen Russland und Deutschland wird der Rechtsstreit um das Fernsehprogramm RT DE dargestellt. Bei den Maßnahmen gegen die Deutsche Welle handele es sich um „Vergeltung“.
Verwischt werden dabei Unterschiede. Die Kommission zur Zulassung und Aufsicht (ZAK) untersagte lediglich das Fernsehprogramm RT DE, das Mitte Dezember auf Sendung gegangen war. Alle anderen Medienaktivitäten des deutschsprachigen Ablegers von RT, den es seit 2014 gibt, wie zum Beispiel die Veröffentlichungen auf der Webseite und in sozialen Medien sind davon nicht betroffen, ebenso wenig die Ausstrahlung des englischsprachigen Programms per Satellit in Deutschland. Die „Gegenmaßnahmen“ der russischen Regierung führen hingegen zu einem Verbot der Deutschen Welle in Russland – sowohl der Präsenz vor Ort, als auch der Ausstrahlung in Russland über Satellit und „sonstige Kommunikationsmittel“. Was im Fall der Deutschen Welle fehlt, ist eine rechtliche Begründung. Sie verfügte über die notwendigen Lizenzen und die Akkreditierungen.
Eine Frage des Standorts
Der Rechtsstreit mit RT DE dreht sich hingegen um die fehlende Fernsehlizenz für eine bundesweite Ausstrahlung in Deutschland, die bislang nicht beantragt wurde und demzufolge nicht erteilt werden konnte. Dabei plante das Medienunternehmen nach eigenen Angaben seit 2014 auch einen Fernsehsender.
RT DE beruft sich stattdessen nun auf eine in Serbien erteilte Fernsehlizenz und gibt als rechtliche Grundlage für die Ausstrahlung in Deutschland das Europäische Übereinkommen über das grenzüberschreitende Fernsehen (ECTT) an. Bei RT DE handele es sich um einen internationalen deutschsprachigen Sender, der von Zuschauern in ganz Europa, einschließlich Deutschlands, empfangen werden könne, erklärte RT-Vizechefredakteurin Anna Belkina.
Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hingegen sieht die RT DE Productions GmbH als Veranstalterin. Da diese ihren Sitz in Berlin-Adlershof hat und das Programm auf das Publikum in Deutschland fokussiert sei, sieht sich die MABB zuständig. RT hätte demnach eine Fernsehlizenz in Berlin beantragen müssen. Weil diese zum Sendestart fehlte, untersagte die MABB noch im Dezember die Ausstrahlung des Programms über einen der Eutelsat-Satelliten. Da es sich um eine bundesweite Ausstrahlung handelt, lag die nächste Entscheidung bei der für ganz Deutschland zuständigen ZAK. Sie verbot das Programm auf allen Ausspielwegen.
Die Rechtsanwältin Anja Zimmer hält die Entscheidung für richtig. Es seien die gleichen Kriterien angewandt worden wie bei „Bild TV“. Auch „Bild“ musste für sein Fernsehprogramm eine Sendelizenz beantragen, bevor das neue Format auf Sendung gehen konnte. Dies zeige, dass es sich nicht um eine politische Aktion gegen Russland handele. Außerdem enthalte das von RT angeführte Fernsehübereinkommen eine Regelung, wonach es nicht dazu genutzt werden dürfe, die in Deutschland geltenden Regelungen zu umgehen. Dies sei der Fall, wenn ein Programm an einen Staat gerichtet sei, dessen Regeln sich der Veranstalter entziehen wolle, etwa durch eine Lizenz in einem anderen Staat.
Das Gebot der Staatsferne
Der Regel, der sich RT DE in Deutschland entziehen will, ist das Gebot der Staatsferne als Grundlage für die Erteilung einer bundesweiten Fernsehlizenz. Es gilt laut Medienstaatsvertrag für in- und ausländische Veranstalter. Dazu gibt es bereits juristische Entscheidungen für den Nachrichtensender Sputnik bzw. SNA News, der zum russischen Staatssender Rossiya Segodnya gehört. Dieser liefert dem privaten Hörfunkanbieter Mega Radio Programmteile und zahlt dafür eine Vergütung. Die MABB kam zu dem Schluss, dass Mega Radio in hohem Maße von Rossiya Segodnya abhängig ist. Sie verbot die Ausstrahlung im Berliner DAB-+-Netz. Die Entscheidung wurde vom Verwaltungsgericht und vom Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigt.
Journalistische Sorgfaltspflicht
Anderswo in Deutschland strahlt Mega Radio weiter sein Programm mit Inhalten von SNA News aus. Basis dafür ist eine von der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk erteilte Lizenz, eine Klage dagegen wurde 2019 zurückgenommen und das Verfahren daraufhin eingestellt. Im Dezember rügte die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein eine von SNA News zugelieferte Meldung zu Covid-19 Impfungen: Es hätten für das Verständnis des Nachrichteninhalts entscheidende Informationen gefehlt, was gegen den Medienstaatsvertrag verstoße.
Die Medienanstalten könnten überprüfen, ob journalistische Sorgfaltspflichten eingehalten werden, erklärt Zimmer dazu. Jedoch werde nicht der Inhalt auf Richtigkeit geprüft, sondern formal, ob tatsächlich recherchiert wurde. Der Gesetzgeber habe sich dabei für eine sehr beschränkte Kontrolle entschieden, die Meinungs- und Pressefreiheit seien in Deutschland ein „überragend wichtiges Gut“. Insofern gibt es nur wenige Regeln für den Umgang mit Desinformation und Propaganda.
Trägt RT wie angekündigt den Rechtstreit um die Untersagung der Ausstrahlung seines deutschsprachigen Fernsehprogramms vor Gericht, wird es zunächst um den Standort und damit die Zuständigkeit deutscher Aufsichtsbehörden gehen. Danach stellt sich die Frage der Staatsferne aufgrund der Finanzierung aus dem russischen Staatshaushalt. Weitere Aspekte umfassen die redaktionelle Unabhängigkeit. Anders als bei der Deutschen Welle ist bei RT nichts über unabhängige Aufsichtsgremien wie einem Rundfunkrat bekannt. Stattdessen beschreiben RT-Chefredakteurin Magarita Simonjan und andere hochrangige Mitarbeiterinnen RT als „Informationswaffe“ im Dienste des russischen Staates. Ein nächstes Kriterium für den Umgang mit RT ist die Einhaltung journalistischer Sorgfaltspflichten. In allen Fällen hat RT die Möglichkeit, Stellung zu nehmen und Entscheidungen von unabhängigen Gerichten prüfen zu lassen. Für die Deutsche Welle beginnen die Schwierigkeiten in Russland schon damit, dass bislang eine juristische Begründung für das Aus fehlt.
