Deutsch-rus­si­scher Medi­en­krieg? Weshalb das TV-Pro­gramm von R​T​ D​E nicht auf Sendung gehen darf

RT sei ein „Infor­ma­ti­ons­waffe“, sagt RT-Chefin Mar­ga­rita Simon­jan. Foto: Shutterstock

Offen­sicht­lich wollte RT DE mit­hilfe einer ser­bi­sche Lizenz das in Deutsch­land gel­tende Gebot der Staats­ferne umgehen. Aus­sicht auf eine Lizenz in Deutsch­land hat RT DE kaum. Denn anders als beim öffent­lich-recht­li­chen Rund­funk und der Deut­schen Welle ist bei RT DE nichts von unab­hän­gi­gen Auf­sichts­gre­mien bekannt. RT-Chefin Simon­jan sieht das Medi­en­un­ter­neh­men viel­mehr als „Infor­ma­ti­ons­waffe“ im Dienste des rus­si­schen Staats.

Als Medi­en­krieg zwi­schen Russ­land und Deutsch­land wird der Rechts­streit um das Fern­seh­pro­gramm RT DE dar­ge­stellt. Bei den Maß­nah­men gegen die Deut­sche Welle handele es sich um „Ver­gel­tung“.

Ver­wischt werden dabei Unter­schiede. Die Kom­mis­sion zur Zulas­sung und Auf­sicht (ZAK) unter­sagte ledig­lich das Fern­seh­pro­gramm RT DE, das Mitte Dezem­ber auf Sendung gegan­gen war. Alle anderen Medi­en­ak­ti­vi­tä­ten des deutsch­spra­chi­gen Able­gers von RT, den es seit 2014 gibt, wie zum Bei­spiel die Ver­öf­fent­li­chun­gen auf der Web­seite und in sozia­len Medien sind davon nicht betrof­fen, ebenso wenig die Aus­strah­lung des eng­lisch­spra­chi­gen Pro­gramms per Satel­lit in Deutsch­land. Die „Gegen­maß­nah­men“ der rus­si­schen Regie­rung führen hin­ge­gen zu einem Verbot der Deut­schen Welle in Russ­land – sowohl der Präsenz vor Ort, als auch der Aus­strah­lung in Russ­land über Satel­lit und „sons­tige Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel“. Was im Fall der Deut­schen Welle fehlt, ist eine recht­li­che Begrün­dung. Sie ver­fügte über die not­wen­di­gen Lizen­zen und die Akkreditierungen.

Eine Frage des Standorts

Der Rechts­streit mit RT DE dreht sich hin­ge­gen um die feh­lende Fern­seh­li­zenz für eine bun­des­weite Aus­strah­lung in Deutsch­land, die bislang nicht bean­tragt wurde und dem­zu­folge nicht erteilt werden konnte. Dabei plante das Medi­en­un­ter­neh­men nach eigenen Angaben seit 2014 auch einen Fernsehsender.

RT DE beruft sich statt­des­sen nun auf eine in Serbien erteilte Fern­seh­li­zenz und gibt als recht­li­che Grund­lage für die Aus­strah­lung in Deutsch­land das Euro­päi­sche Über­ein­kom­men über das grenz­über­schrei­tende Fern­se­hen (ECTT) an. Bei RT DE handele es sich um einen inter­na­tio­na­len deutsch­spra­chi­gen Sender, der von Zuschau­ern in ganz Europa, ein­schließ­lich Deutsch­lands, emp­fan­gen werden könne, erklärte RT-Vize­chef­re­dak­teu­rin Anna Belkina.

Die Medi­en­an­stalt Berlin-Bran­den­burg (MABB) hin­ge­gen sieht die RT DE Pro­duc­tions GmbH als Ver­an­stal­te­rin. Da diese ihren Sitz in Berlin-Adlers­hof hat und das Pro­gramm auf das Publi­kum in Deutsch­land fokus­siert sei, sieht sich die MABB zustän­dig. RT hätte demnach eine Fern­seh­li­zenz in Berlin bean­tra­gen müssen. Weil diese zum Sen­de­start fehlte, unter­sagte die MABB noch im Dezem­ber die Aus­strah­lung des Pro­gramms über einen der Eutel­sat-Satel­li­ten. Da es sich um eine bun­des­weite Aus­strah­lung handelt, lag die nächste Ent­schei­dung bei der für ganz Deutsch­land zustän­di­gen ZAK. Sie verbot das Pro­gramm auf allen Ausspielwegen.

Die Rechts­an­wäl­tin Anja Zimmer hält die Ent­schei­dung für richtig. Es seien die glei­chen Kri­te­rien ange­wandt worden wie bei „Bild TV“. Auch „Bild“ musste für sein Fern­seh­pro­gramm eine Sen­de­li­zenz bean­tra­gen, bevor das neue Format auf Sendung gehen konnte. Dies zeige, dass es sich nicht um eine poli­ti­sche Aktion gegen Russ­land handele. Außer­dem ent­halte das von RT ange­führte Fern­seh­über­ein­kom­men eine Rege­lung, wonach es nicht dazu genutzt werden dürfe, die in Deutsch­land gel­ten­den Rege­lun­gen zu umgehen. Dies sei der Fall, wenn ein Pro­gramm an einen Staat gerich­tet sei, dessen Regeln sich der Ver­an­stal­ter ent­zie­hen wolle, etwa durch eine Lizenz in einem anderen Staat.

Das Gebot der Staatsferne

Der Regel, der sich RT DE in Deutsch­land ent­zie­hen will, ist das Gebot der Staats­ferne als Grund­lage für die Ertei­lung einer bun­des­wei­ten Fern­seh­li­zenz. Es gilt laut Medi­en­staats­ver­trag für in- und aus­län­di­sche Ver­an­stal­ter. Dazu gibt es bereits juris­ti­sche Ent­schei­dun­gen für den Nach­rich­ten­sen­der Sputnik bzw. SNA News, der zum rus­si­schen Staats­sen­der Rossiya Segod­nya gehört. Dieser liefert dem pri­va­ten Hör­funk­an­bie­ter Mega Radio Pro­gramm­teile und zahlt dafür eine Ver­gü­tung. Die MABB kam zu dem Schluss, dass Mega Radio in hohem Maße von Rossiya Segod­nya abhän­gig ist. Sie verbot die Aus­strah­lung im Ber­li­ner DAB-+-Netz. Die Ent­schei­dung wurde vom Ver­wal­tungs­ge­richt und vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Berlin bestätigt.

Jour­na­lis­ti­sche Sorgfaltspflicht

Anderswo in Deutsch­land strahlt Mega Radio weiter sein Pro­gramm mit Inhal­ten von SNA News aus. Basis dafür ist eine von der Hes­si­schen Lan­des­an­stalt für pri­va­ten Rund­funk erteilte Lizenz, eine Klage dagegen wurde 2019 zurück­ge­nom­men und das Ver­fah­ren dar­auf­hin ein­ge­stellt. Im Dezem­ber rügte die Medi­en­an­stalt Ham­bur­g/­Schles­wig-Hol­stein eine von SNA News zuge­lie­ferte Meldung zu Covid-19 Imp­fun­gen: Es hätten für das Ver­ständ­nis des Nach­rich­ten­in­halts ent­schei­dende Infor­ma­tio­nen gefehlt, was gegen den Medi­en­staats­ver­trag verstoße.

Die Medi­en­an­stal­ten könnten über­prü­fen, ob jour­na­lis­ti­sche Sorg­falts­pflich­ten ein­ge­hal­ten werden, erklärt Zimmer dazu. Jedoch werde nicht der Inhalt auf Rich­tig­keit geprüft, sondern formal, ob tat­säch­lich recher­chiert wurde. Der Gesetz­ge­ber habe sich dabei für eine sehr beschränkte Kon­trolle ent­schie­den, die Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit seien in Deutsch­land ein „über­ra­gend wich­ti­ges Gut“. Inso­fern gibt es nur wenige Regeln für den Umgang mit Des­in­for­ma­tion und Propaganda.

Trägt RT wie ange­kün­digt den Recht­streit um die Unter­sa­gung der Aus­strah­lung seines deutsch­spra­chi­gen Fern­seh­pro­gramms vor Gericht, wird es zunächst um den Stand­ort und damit die Zustän­dig­keit deut­scher Auf­sichts­be­hör­den gehen. Danach stellt sich die Frage der Staats­ferne auf­grund der Finan­zie­rung aus dem rus­si­schen Staats­haus­halt. Weitere Aspekte umfas­sen die redak­tio­nelle Unab­hän­gig­keit. Anders als bei der Deut­schen Welle ist bei RT nichts über unab­hän­gige Auf­sichts­gre­mien wie einem Rund­funk­rat bekannt. Statt­des­sen beschrei­ben RT-Chef­re­dak­teu­rin Maga­rita Simon­jan und andere hoch­ran­gige Mit­ar­bei­te­rin­nen RT als „Infor­ma­ti­ons­waffe“ im Dienste des rus­si­schen Staates. Ein nächs­tes Kri­te­rium für den Umgang mit RT ist die Ein­hal­tung jour­na­lis­ti­scher Sorg­falts­pflich­ten. In allen Fällen hat RT die Mög­lich­keit, Stel­lung zu nehmen und Ent­schei­dun­gen von unab­hän­gi­gen Gerich­ten prüfen zu lassen. Für die Deut­sche Welle begin­nen die Schwie­rig­kei­ten in Russ­land schon damit, dass bislang eine juris­ti­sche Begrün­dung für das Aus fehlt.

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