Was Coro­na­skep­ti­ke­rIn­nen zu Putin­fans macht

Plakat auf einem Coro­na­pro­test am 19. Februar 2022, Frank­furt. Bild: CC BY 2.0

Seit über zwei Jahren demons­trie­ren Coronaskeptiker:innen gegen Pan­de­mie­maß­nah­men und für „Frieden, Frei­heit, Demo­kra­tie“. Viele ihrer Posi­tio­nen tauchen nun in Bezug auf den Ukrai­ne­krieg wieder auf – dazu zählen die Sym­pa­thie mit einem auto­kra­ti­schen Russ­land, eine anti­west­li­che Haltung, Skepsis gegen­über eta­blier­ten Medien und Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen, in denen auf die „Corona-Lüge“ die „Ukraine-Lüge“ folgt.

 

Am 20. März 2022, etwa einen Monat nach dem Beginn der rus­si­schen Offen­sive gegen die Ukraine, fand in Dresden eine Quer­den­ken-Demons­tra­tion statt. Das rbb-Magazin Kon­traste war vor Ort, um mit Demons­trie­ren­den zu spre­chen. Die O‑Töne zeigen: Wie bei Covid-19 wird nun auch hinter dem Krieg in der Ukraine eine Ver­schwö­rung ver­mu­tet. „Ich weiß nicht, warum die Ukraine so starken Wider­stand leistet. Ich denke, der Putin hat ganz gute Ansich­ten“, sagt ein Befrag­ter. Eine weitere Person – vor einer Fahne der rechts­extre­men Kleinst­par­tei „Freie Sachsen“ – zeigt Ver­ständ­nis für Wal­d­imir Putin: „Ich habe das ungute Gefühl, dass man Putin in eine Ecke gedrängt hat, aus der er sich nicht anders zu helfen gewusst hat.“ In den Ant­wor­ten zeigt sich Empa­thie für den Auto­kra­ten. „Die große Suppe ist vom US-Finanz­im­pe­ria­lis­mus gekocht und deren Inter­esse ist, die Kon­trolle über die gesamte Welt zu haben“, sagt ein wei­te­rer Demons­trant, und gibt damit einen Ein­blick in seine Sicht­weise der aktu­el­len Gescheh­nisse. Er ist sich sicher: Er ris­kiere sein Leben, wenn er diese „Wahr­heit“ aus­spre­che. All dies sind Aus­sa­gen, die man seit Jahren aus ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­schen Kreisen und jüngst auch von den Quer­den­ken- und Coro­na­pro­tes­ten kennt.

Gemein­sa­mer Feind: die „Lügen-Presse“

Der Erz­feind von anti­de­mo­kra­ti­schen, ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­schen bis hin zu rechts­extre­men Gruppen sind die Medien, oftmals als „Lügen-Presse“ geschmäht. Gemeint sind damit ins­be­son­dere der Öffent­lich-Recht­li­che Rund­funk und eta­blierte soge­nannte „Main­stream-Medien“. Nach Ansicht der Szenen, ver­such­ten diese angeb­lich, durch Bericht­erstat­tung eine ganz eigene Agenda durch­zu­set­zen, die ihnen dik­tiert wird – wahl­weise von Politiker:innen, der Euro­päi­schen Union, den USA oder anderen mäch­ti­gen Eliten. Ver­schwö­rungs­gläu­bige sehen die Mei­nungs- und Pres­se­frei­heit bedroht und spre­chen ins­be­son­dere seit Beginn der Coro­na­pan­de­mie sogar von einer Dik­ta­tur in Deutschland.

Von der Annahme, Medien würden uns gezielt belügen, weichen Coronaleugner:innen auch in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine nicht ab. Ein Analyse-Paper der Amadeu Antonio Stif­tung zeigt, wie demo­kra­tie­feind­li­che Medien und Kräfte in Deutsch­land auf den Krieg reagier­ten. Das Ergeb­nis ist deut­lich: Deut­sche Neo­na­zis stehen ukrai­ni­schen Ultranationalist:innen zur Seite. Coronaleugner:innen und Verschwörungsideolog:innen wie der Quer­den­ken-Arzt Bodo Schiff­mann oder der in ver­schwö­rungs­gläu­bi­gen Kreisen popu­läre Online-TV-Sender Auf1.TV hin­ge­gen ahnen hinter dem Krieg eine Ablen­kung von der Pan­de­mie oder vom „Great Reset“ – eine Ver­schwö­rungs­er­zäh­lung vom Umbau der Welt durch eine kleine Elite, die sich nicht selten anti­se­mi­ti­scher Chif­fren bedient.

Sym­pa­thien mit einem auto­kra­ti­schen Russ­land kennt man in Deutsch­land aber schon seit 2014. Nach der Anne­xion der Krym fanden bun­des­weit so genannte „Frie­dens­mahn­wa­chen“ statt. Damals setzten sich Verschwörungsideolog:innen wie Ken Jebsen und Jürgen Elsäs­ser für einen „Frieden mit Russ­land“ ein.

An die pau­schale Ableh­nung von eta­blier­ten Medien und „dem System“ in Deutsch­land oder der EU an sich, knüpft auch die pro­rus­si­sche Kriegs­er­zäh­lung an. Der Kreml und sein Aus­lands­sen­der RT arbei­ten seit Jahr­zehn­ten daran, anti­west­li­che Posi­tio­nen auch außer­halb Russ­lands zu ver­brei­ten. AfD-Poliker:innen wie Markus Frohn­maier oder Gunnar Lin­de­mann sowie das rechts­extreme Compact-Magazin bei­spiels­weise pflegen enge Kon­takte in kreml­nahe Kreise. Sym­pa­thien mit einem auto­kra­ti­schen Russ­land kennt man in Deutsch­land aber schon seit 2014. Nach der Anne­xion der Krym fanden bun­des­weit so genannte „Frie­dens­mahn­wa­chen“ statt. Damals setzten sich Verschwörungsideolog:innen wie Ken Jebsen und Jürgen Elsäs­ser für einen „Frieden mit Russ­land“ und gegen die Dämo­ni­sie­rung Putins ein – beide noch immer ein­fluss­rei­che Akteure der „alter­na­ti­ven“ Medien.

Und es gibt noch andere Anknüp­fungs­punkte. Der auto­kra­ti­sche Macht­ha­ber Russ­lands spricht statt von einem Krieg von einer „Spe­zi­al­ope­ra­tion“ und der Befrei­ung der Ukraine von Nazis und Faschist:innen. Diese Äuße­run­gen werden von anti­de­mo­kra­ti­schen Kräften, Ver­schwö­rungs­gläu­bi­gen und einigen post­so­wje­ti­schen Migrant:innen in Deutsch­land dankbar auf­ge­grif­fen. Denn Ver­schwö­rungs­gläu­bige ver­mu­ten erneut, Medien hier­zu­lande durch­schaut und die echte Wahr­heit erkannt zu haben. Und für einige der 2,2 Mio. Russ­land­deut­schen und Spätaussiedler:innen – ins­be­son­dere für die ältere Gene­ra­tion – ist das rus­si­sche Fern­se­hen ihre mediale Heimat, welcher sie zum Teil mehr Ver­trauen schen­ken als der deut­schen Medi­en­land­schaft. Bekräf­tigt wird das Bild, wenn so genannte Influencer:innen wie Alina Lipp pro­rus­si­sche Kriegs­pro­pa­ganda auf Tele­gram ver­brei­ten. Täglich errei­chen ihre Berichte aus der Ukraine mehr als 135.000 Men­schen – auf Deutsch und auf Russisch.

Instru­men­ta­li­sie­rung von „Rus­so­pho­bie“ und Diskriminierung

Neben dem Einsatz für das, was sie „Frieden“ und „Frei­heit“ nennen, scheint Coronaleugner:innen und Putin-Sympathisant:innen auch der Kampf gegen angeb­li­che Dis­kri­mi­nie­rung zu einen. Zumin­dest auf den ersten Blick. Demnach sollen angeb­lich zuerst Unge­impfte sys­te­ma­tisch dis­kri­mi­niert worden sein, nun rus­sisch­spra­chige Men­schen. In den ver­gan­ge­nen Wochen fanden des­we­gen mehrere Auto­kor­sos und Demons­tra­tio­nen statt. Rus­si­sche Fahnen wehten unter anderem in Han­no­ver, das Motto der Anmel­dung mit über 600 Teil­neh­men­den: „Gegen die Dis­kri­mi­nie­rung von rus­sisch­spra­chi­gen Men­schen“. Als einige Demons­trie­rende von Stern-TV-Repor­tern nach ihren per­sön­li­chen Dis­kri­mi­nie­rungs­er­fah­run­gen gefragt wurden, konnten oder wollten sie aber keine kon­kre­ten Bei­spiele nennen, hätten es statt­des­sen von Bekann­ten gehört. Statt­des­sen wird von ein­zel­nen Demons­trie­ren­den die Erzäh­lung von ukrai­ni­schen Nazis wie­der­holt, die Mas­sa­ker von Butscha als Insze­nie­rung dar­ge­stellt, Demons­trie­rende tragen Putin-T-Shirts. Mit solchen Pro­tes­ten, die sich in den Dienst der Kreml­pro­pa­ganda stellen, ver­harm­lo­sen Pandemieleugner:innen und Kreml­fans die exis­tie­ren­den Fälle von Dis­kri­mi­nie­rung und Hassrede.

Die gezielte Ver­brei­tung von erfun­de­nen Anfein­dun­gen bekräf­tigt das Nar­ra­tiv der „Rus­so­pho­bie“, an welchem der Kreml schon seit Jahren arbei­tet, wie beim „Fall Lisa“ 2016. Auf TikTok ereig­nete sich der jüngste Vorfall einer solchen pro­rus­si­schen Lüge: Eine Frau ver­brei­tete die Nach­richt, ein 16-jäh­ri­ger Junge wäre in einer Unter­kunft für Geflüch­tete in Eus­kir­chen von einem „ukrai­ni­schen Mob“ zu Tode geprü­gelt worden, weil er Rus­sisch sprach. Wenige Tage später ent­schul­digte sich die Frau für das Video. Diese erfun­dene, aber emo­tio­nal auf­ge­la­dene Behaup­tung legi­ti­miert ihren Protest gegen angeb­li­che „Rus­so­pho­bie“ und Dis­kri­mi­nie­rung. Diese Bei­spiele ändern selbst­ver­ständ­lich nichts daran, dass Anti­sla­wis­mus real ist und ange­spro­chen werden muss.

Ganz beson­ders zeigen die Rufe nach „Frieden und Frei­heit“ das Ausmaß ver­schwö­rungs­ideo­lo­gi­scher Par­al­lel­wel­ten. Meist unge­stört und ohne große Auf­la­gen durch den Staat konnten Coronaleugner:innen seit Beginn der Pan­de­mie fast täglich demons­trie­ren. Und soge­nannte „alter­na­tive“ Medien, auch wenn einige von ihnen anti­se­mi­ti­sche Ver­schwö­rungs­er­zäh­lun­gen oder rechts­extre­mes Gedan­ken­gut ver­brei­ten, werden nicht ver­bo­ten und nur in sel­tens­ten Fällen ein­ge­schränkt. Anders übri­gens als unab­hän­gige Journalist:innen, demo­kra­ti­sche Orga­ni­sa­tio­nen oder Anti-Kriegs-Ver­samm­lun­gen in eben jenem Russ­land, für das viele Men­schen in der Szene Partei ergreifen.

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